Die Stadt Gräfrath und ihre Geschichte

Die Gräfrather, so schrieben die Verfasser, stammen wohl von den Tenterern ab, einem germanischen Volksstamm, der wohl von den Römern wie von der Völkerwanderung verschont geblieben sei. Ob sich jedoch eine direkte Linie zu einem echten Gräfrather ziehen lässt, das werden wohl selbst genetische Spuren kaum noch beweisen können.

 

Gräfrath als Dorf, das sich ums Kloster schart: so sieht Frau Hunter Blair 1855 den Ort.

Reproduktion mit digitalen Colorierungen

 

Welcher Graf den Wald roden ließ (Grevenroide als Ursprungsnamen), ist wohl unbekannt. Man glaubt, im "Heiligen Born" noch Namensursprünge in heidnische Zeiten (Opferstätten) erkennen zu können, was aber die Sage flugs umdeutet in die Quelle, in der die ersten Christen sich taufen ließen. Im 7. Jahrhundert missionierte St. Suitbertus im Bergischen, er gründete 710 ein Benediktinerkloster im späteren Kaiserswerth. Eine Urkunde vom 31. 7. 1187 bezeugt die Einwilligung des Erzbischofs Philipp von Köln, dass eine Frau Abtissin Elisabeth von Vilich "zur Ehre Gottes und Seiner unbefleckten Gebärerin Maria" auf ihrem Gute zu Grevenroide für Gottes Mägde ein Kloster gründet - gegen Bezahlung natürlich. Der Papst bestätigte die Gründung 1220. Eine Reihe bedeutender Schenkungen machte das Kloster zu einem reichen und einflussreichen Stift. Man besaß an die 1.000 Morgen, etliche vermietete Häuser und Bauernhöfe sowie Rechte an den Naturalien und Verkaufserlösen etlicher Güter. Mehrere Feuerbrünste wüteten nicht unerheblich in Gräfrath.

 

Druck von August Berg, Gräfrath

 

Die Klosterkirche in der heute noch existenten Grundform wurde nach dem letzten Brand im Jahr 1717 aufgebaut, dabei wurden die noch vorhandenen Grundmauern benutzt.

Dieses Bild zeigt (vor allem in der Vergrößerung rechts) gut, dass die Klostertreppe nicht immer bis zum Marktplatz reichte, sondern nur bis zur
"halben Höhe", von wo aus eine Art Rampe zum Dorfplatz mit dem markanten Brunnen führte.

 

 

 

 

 

Nach der Säkularisierung Anfang des 19. Jahrhundert wurden Teile des Klosters als Kaserne genutzt. 1894 wurde das Bezirkskommando von Gräfrath nach Solingen verlegt und in den Gebäuden wurde eine sog. Erziehungsanstalt für katholische Mädchen eingerichtet, in der 1898 immerhin 32 Zöglinge einziehen mussten. Die Oberin leitete das Heim, in dem auch einige Lehrerinnen arbeiteten.

 

 

160.000 Reichmark wurden als Anleihe am 4. April 1907 aufgenommen, um später dieses neue Rathaus zu bauen. Vorher hatten die Gräfrather Beamten und Bediensteten sowie Bürgermeister sowie die Mitarbeiter der Sparkasse unter beklagenswerter Raumenge zu leiden. Da kam es, so berichtet die Chronik, sogar zu "Stehungen" statt zu "Sitzungen". Ein Privatmann baute dieses prächtige Gebäude und vermietete es "zu annehmbaren Bedingungen".

 

 

Und da man schon einmal auf dem besten Wege war, eine richtige Stadt werden zu wollen, musste natürlich auch ein beeindruckendes Wappen her; dieses wurde schließlich 1907 genehmigt.

Um diese Zeit war neben der Stahlwarenindustrie auch die Seidenweberei ein bedeutender Industriezweig, um 1913 waren immerhin 350 mechanische Webstühle installiert und rund 150 Arbeiter waren in einer Schokoladenfabrik beschäftigt. Übrigens hat Gräfrath heute die einzige Süßwaren-Berufsfachschule Deutschlands, mit bestem internationalen Ruf.

 

1891 wurde Gräfrath mit Gas für die Laternen beliefert
1901 kam der elektrische Strom nach Gräfrath
1904 wurde eine Wasserversorgung verlegt
1897 hatte Gräfrath Gleisanschluss und einen Bahnhof bekommen
1898 fuhr die Kreisbahn durch den Ort

 

Gräfrath ist in etwa auch heute noch als Stadtteil in den historische Dimensionen erhalten gebieten. In seinem Bereich lagen seinerzeit 3 Kirchen (2 im Ortskern, 1 in Ketzberg), heute kommt noch eine am (heutigen) Wasserturm hinzu. Die eingezeichnete Eisenbahnlinie (Wald-Vohwinkel), wegen der vielen Windungen als "Korkenzieherbahn" im Volksmund bekannt, existiert schon "ewig lange" nicht mehr. Der eingezeichnet Wasserturm am Exerzierplatz ist längst ein Kultobjekt ersten Ranges, nämlich ein "Lichtturm" mit einem einmaligen Ambiente. Oben zum Holz, Ketzberg, Nümmen oder Külf, um nur einige zu nennen, sind auch heute noch Ortschaften mit einem sehr stolzen Selbstbewusstsein. Gerade das Nümmener Heimatfest ist eine Veranstaltung, die für Ursolinger ganz einfach zum Jahrespflichtprogramm gehört.

 

 

Als dunkler Strich im Straßenbereich schemenhaft zu erkennen sind die Straßenbahnschienen, sie zeigen, dass die Kreisbahn mitten über den Marktplatz fuhr.

Die kleine evangelische Kirche (im Vordergrund) hat schon immer gegenüber der absolut dominanten katholischen Klosterkirche wahrlich ein Leben im Schatten des oberen Kirchturms geführt. Schön, dass sie hier einmal größer erscheint.

 

 

Hier erkennt man die Straßenbahnschienen deutlicher. Und auch, dass der Brunnen keineswegs eine Zierde war, sondern noch lange als wirklich notwendige Wasserquelle diente, denn erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Ort mit Leitungswasser versorgt.

 

 

Am 1. August 1792 in Kleve am Niederrhein geboren, studierte Medizin, wurde Arzt in preußischen Diensten und kam so mit einer epidemisch auftretenden Abart der "ägyptischen Augenkrankheit" in Kontakt, über deren Heilung er Werke verfasste. Er entschied sich für ein Niederlassen in Gräfrath und gründete dort eine Augenklinik mit bestem Ruf im ganzen Land, da seine Fähigkeiten, sein Fleiß und Talent überaus groß gewesen sein müssen. Am 12. Januar 1861 verstarb er. Die Gräfrather gingen in ihrer Wertschätzung so weit, dass zu seinen Lebzeiten sein Geburtstag als öffentliches Fest gefeiert wurde. Kein Wunder, ein Chronist berichtet, die Gräfrather konnten dank der vielen Hilfe- und Heilsuchenden "das letzte Kämmerlein gewinnbringend vermieten".

 

Ober Medicinal Rath
Dr. de Leuw.

 

 

 

 

 

 

 

 

Dass in Gräfrath Geschichte auch noch heute sichtbar ist, beweisen die subtilen Aufnahmen von Frank Püttbach, die er Solingen-Internet zur Verfügung stellte. Danke.

Da sie fotografisch "groß-artig", wenn auch sehr melancholisch sind, haben sie auch ein wenig mehr Bildschirmfläche verdient, in Zeiten schnellen Downloads wohl nicht mehr ein so großes Problem.