Das Gebiet der Siedlung Hasseldelle müsste eigentlich "Klauberg" heißen. Warum, wird hier gesagt:



Hasseldelle

Ach Gott nee nich. Was wurde dieser Siedlung nicht schon alles angedichtet. Klein-Manhattan sei sie. Ein Ghetto. Sozialer Brennpunkt. Randlage. Ausländer-Viertel. Jeder, der nicht hier wohnt, pflegt sein eigenes Vorurteil und weiß im Grunde genommen nichts. Die Hasseldelle ist ein Wohngebiet, entstanden aus der "Soziologen-Träumerei", arm und reich zusammenwohnen zu lassen. Dabei wurden, Soziologen sind so, die rein pragmatischen Dinge des Lebens völlig vergessen. Die Siedlung leidet an einer Versorgungs-Infrastrukturschwäche (außer der Verkehrsanbindung, die ist ideal) und an der fehlenden finanziellen Perspektive eines der Haupteigentümer der Hochhäuser. Sie hat einen agilen Bürgerverein, einen eigenen Treffpunkt, eine hervorragende Gaststätte und Bewohner, die gerne dort wohnen.

 

Weihnachten 2004 in der Hasseldelle: Der Schnitzel-Krimi

Auf allgemeinen Wunsch wieder im Programm

Schon schöner: Von Cronenberg aus mit dem Teleobjektiv gesehen, vom milden Wuppernebel fast poetisch eingehüllt, die Türme der St.-Clemens-Kirche und des Karstadt-Hochhauses im Hintergrund, so sieht die Hasseldelle modern, aber auch eben naturnah aus.

Was aber das schönste ist: so naturnah wie auf dem Foto ist sie auch in Wirklichkeit.

 

 

Ähnlicher Blick, verfremdete Farbstimmung, dennoch in etwa gleiche Anmutung: man muss, soll, kann, darf immer in und an allem das Positive sehen.

Foto/Grafik: hgw

 

Auf diesem Bild wird deutlich, dass die Hasseldelle "auf den Acker gesetzt" wurde. Das Bild entstand um 1975. Broschüre der Stadt Solingen

Erst wurde der Kernbereich der Hasseldelle, die drei-viergeschossigen Eigentumswohnungen plus die "Hochhäuser" gebaut, dann erst der Kranz der Eigenheime.

 

Blick von der Hasseldelle über Kohlfurterbrücke nach Cronenberg um 1925:

 

Vermutlich um 1910: Blick über die eigentliche Hasseldelle Richtung Stöcken und Kohlfurt; auf dem Berge gerade noch so zu erkennen Cronenberg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein anderes Foto, das um 1908 entstand (aus: "Führer durch Solingen", Wanderbuch)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In diesem Büchlein wird der Spaziergang von Hasseldelle aus als erste Tour genannt. Das muss doch seinen Grund gehabt haben !? Entweder war es immer schon hier am schönsten. Oder - nein, einen anderen kann's gar nicht geben :-)

 

Also, was wollen sie, die Hasseldellianer, sie wohnen doch in wunderschöner Landschaft und haben die besten Ausblicke. Und in der Tat: niemand bestreitet dies ernsthaft.

 

 

Die damalige Schule Stöcken, die nun auch geschlossen werden soll.

 

Hier soll einmal Solingens Manhattan stehen? Kaum zu glauben. Das Bild entstand 1971, ca. 1973/74 war die Siedlung dann  fertig.

Privatfoto

 

1970 gings los. Die Hasseldelle eine Riesenbaustelle. Kräne wetteiferten, Lastwagen brachten pausenlos neues Material. Wände wuchsen zu Wohnungen.

 

Bis dann, so um 1973, auch aus der Ferne wahrzunehmen war: dort ist etwas entstanden, was Solingen bis dato nicht kannte. Eine Mini-Satellitenstadt ...

 

 

Gut zu sehen ist hier, dass zunächst nur die Hochhäuser gebaut wurden und dann im zweiten Bauabschnitt die Bungalows im südlichen und östlichen Teil.

Kalender 1972 der Stadt Solingen

 

 

 

Beim Bau ahnte noch niemand, dass der Hasseldelle eine Revolution "von unten", scheinbar vom Kaffeetisch aus bevorstand:

 

 

Denn beinahe wäre aus der Hasseldelle ein Wohnquartier mit Autobahndurchquerung geworden. Als Autobahnbau noch als die Lösung der Probleme der Menschheit galt, zog man mit kühnen Strichen solche Monsterprojekte auch quer durch Solingen. Fehlendes Geld und protestierende Bürger verhinderten die Verwirklichung. Damals entstand die BIH, Bürgerinitiative Hasseldelle, aus der später der Bürgerverein WIR in der Hasseldelle e.V. hervorging. Seit dieser Zeit kümmert sich die Gemeinschaft um die Belange der Hasseldelle und vertritt Forderungen wie Wünsche vehement im öffentlichen Leben der Stadt.

 

Roter Kreis = Hasseldelle

Von Müngsten aus kommend wäre die Autobahn direkt durch den Ostrand der Hasseldelle verlaufen und weiter zu einem großzügig ausgebaut Knotenpunkt Stöcken (nahe Kohlfurth). Von dort sollte sie Richtung Gräfrath laufen.

Bei der "Inbetriebnahme" der Siedlung Hasseldelle war die Nahversorgung zwar dürftig, aber vorhanden: ein kleines Lebensmittelgeschäft, die Stadtsparkasse und nebenan ein Bäcker.

aus: 150 Jahre Stadtsparkasse Solingen

 

 

Erbenhäuschen hieß diese Siedlung, in der man eigentlich gr kein Häuschen erben konnte, denn hier standen ganz frühe Spar- und Bauvereinshäuser. Wo damals noch romantisch die Schaafe weideten, sind inzwischen auch längst Häuser gebaut.

" Das Erbenhaeuschen, wie es heute verläuft, steht auf den Feldern der Familie Ferres, die bis zum Kriegsende dort einen Bauernhof betrieben. Dazu gab es die Hofschaft Hohenklauberg, wo einige Familien lebten, u.a. ein Schaefer, Esther, dessen Schafherde ich aus dem Fenster meiner elterlichen Wohnung sehen konnte. Ein weiterer Esther hatte dort einen Bauernhof (Runkeln, Roggen, Weizen, Kuhweide). "

Manfred Keune, Florida/USA

 

Manfred Keune fand "in der Schublade" noch alte Fotos. Aufgenommen von Erbenhäuschen 88 - erster Stock des mittleren Eingangs des letzten Gebäudes der alten Spar- und Bauvereins-Siedlung, gebaut in den frühen 30er Jahren. Badezimmer und Bleiche vor dem Haus galten als Fortschritt. Und im Keller war sogar eine Waschküche, plus ein Speicher zum Trocknen der Wäsche (also: Körbe durchs Haus hoch schleppen).

Hier der Blick vom Wohnzimmer Richtung Solinger Innenstadt, über den Hohenklauberg hinweg. Das Foto entstand um 1940.

 

Ein ähnlicher Blick aus dem gleichen Fenster 1956 fotografiert. Die Gärten, jetzt erweitert, reichen in den Wiesenhügel von Bauer Ferres, dessen Familie noch in diesem Bereich lebt, Scheune rechts im Bild andeutungsweise zu sehen. (richtig, von hier stammt die Familie der berühmten Schauspielerin Veronika Ferres). Auch dieses Gelände ist heute intensiv bebaut.

 

Ebenfalls schon "Neuzeit": ein Blick 1956 aus dem Schlafzimmerfenster über Esthers Wiese, Bauer im Gehöft Klauberg. Auf dieser Kuhweide entstand die heutige Siedlung Hasseldelle. Auf den Hügel des Hintergrundes (links) Cronenberg und Berghausen. Etwa an der mittleren Baumgruppe im Bildmittelpunkt wohne ich - es sieht allerdings ein ganz klein wenig anders aus, heute.

 

 

 

 

Die gleiche Kuhweide, diesmal von Schafen besetzt.

 

Am nordöstlichen Ende der Hasseldelle, dort, wo das Gelände steil gegen Kohlfurth abfällt, stand früher ein Aussichtstempelchen namens "Helenenblick" (gleich dem Diedrichstempel in Burg), von dem wohl schon vor langer Zeit nur eine kleine Aussichtsplattform mit Mauerresten geblieben ist - wenn es ihn denn je als überdachte Aussicht gab ... ?

Auf der gegenüberliegenden, Cronenberger Seite steht ein Gegenstück, der Adelenblick, errichtet von einem Cronenberger Fabrikanten.

 

Und das wurde dann im Laufe der Zeit aus der Schafsweide. Eine graue Häuserwüste mit Notbegrünungselementen:

 

 

 

Aha. Die Hasseldelle macht also Solingen zur Großstadt! Interessant. Das wird einige engagierte polit-aktive Hasseldellianer ganz besonders freuen und ihnen als argumentative Munition beim nächsten Förderungsantrag gerade recht kommen. Im Mittelpunkt jedoch, Wermutstropfen, der Kannenhof, gewissermaßen zwischen Idylle und Ideologie: "Plattenbau statt Wohnungsstau". In der Tat, die Siedlungen aus den 60er und 70er Jahren halfen Solingen aus einer Wohnungskrise. Die Stadt hatte zu den sog. Weißen Kreisen gehört, in denen Wohnungskündigungen leichter möglich waren, vor allem bei Eigenbedarf. Insbesondere auch die Siedlung Hasseldelle, für die sich SPD und SBV ins Zeug gelegt hatten, verschaffte dem Wohnungsmarkt einiges an Erleichterung. Manche Mieter wohnen seit Anbeginn dort - und fühlen sich ausgesprochen wohl. Denn inzwischen ist viel Grün dort gewachsen, die Häuser des Spar- und Bauvereins sind renoviert und sehen putzig-munter aus. Nur die Bauten der Gagfah (oben rechts), einem kränkelnden Vermögensverwalter des Bundes, sehen aus wie - pardon - Sau. Kein Geld mehr da, für die bergische Großstadt. Dumm gelaufen.

 

 

Die Hasseldelle im Jahr 2003:
1714 Personen
Ausländeranteil 33% (zum Vergleich: Solingen 14 %), über 25 Nationalitäten
Jugendliche bis 18 Jahre 28%
Ältere über 60 Jahre 22%

 

Ganz so dicht, wie es die Luftaufnahmen suggeriert,
sind die Hasseldelle und der Kannenhof
nun doch nicht beieinander gelegen.

Schöning & Co + Gebrüder Schmidt, Lübeck

 

Mindestens noch eine Siedlung in Solingen ist ähnlich gebaut worden, von der aber heute keiner mehr spricht: der "Schuldenhügel" in Gräfrath (Abteiweg, Heiligr Born, Wichernstraße).

"Van nix kütt nix". Dieser allgemeinen rheinischen Weisheit bleibt der bekennende Westfalen-Fan und Ur-Solinger Werner Deichmann mit eifernder Impertinenz treu. Wenn es gilt, jemanden so lange klarzumachen, was für den Spar- und Bauverein und/oder die Hasseldelle am besten ist, dann ist Werner Deichmann in seinem Element: In Wespennester stechen, Finger auf Wunden legen, Dampf machen  und ablassen, die Sau durchs Dorf treiben - ein ganzes Sprichwörterbuch müsste her, um seine kommunalpolitische Aktiv-Maxime zu beschreiben. Nichts ehrt - außer dem zu recht verliehenenen Bundesverdienstkreuz - den Oberhasseldellianer mehr als wenn jemand sagt, er, Deichmann, ginge ihm auf die Nerven. Dann weiß er, Deichmann, dass er auf dem richtigen Wege ist. Man erreicht nur wirklich etwas, wenn wirklich etwas entscheidend verändert wird und nicht, wenn die kuschelige Wattedecke des faulen Kompromisses über einen sozialen oder strukturellen Schwelbrand gelegt wird. Werner Deichmann ist einer der Gründungsmitglieder des Vereins "Wir in der Hasseldelle e.V.", ehemaliges Ratsmitglied, laut öffentlichen Bekenntnissen schwer enttäuschter Ex-Aktiv-Genosse und nach wie vor die treibende Kraft in vielen Entwicklungen in, aus, um, für und mit der Hasseldelle.

Portrait aus "Wohnen im Licht", Mitgliederzeitung des SBV Solingen, 12/05

Werner Deichmann stammt aus dem Gebiet Klauberg und kennt vor allem "Gott und die Welt". Falls Sie mal so etwas wie auf dem Bild rechts in der Hasseldelle entdecken, wahrscheinlich hat sich W.D. gerade wieder mal einen Plan zurecht gelegt. Sein Wirken ist einfach, aber wirkungsvoll: man muss erstens Menschen für ein Ziel oder eine Idee begeistern, zweitens sie zum Handeln motivieren und drittens sie dorthin bringen, das zu tun, was in seinem Sinne richtig, sinnvoll, notwendig und vernünftig erscheint. Mit dieser Methode hat er Erfolg. Denn, und deshalb ist die Metapher bewusst gewagt, nicht Werner Deichmann sitzt als beutemachende Spinne im Netz, sondern die Interessen, die Probleme, die Lebensumstände anderer. Wenn es denn einen hemmungslos basis-sozialen, gemeinwohl- und vernunft-vernarrten Sozi gibt, dann ihn. Vieles, was er tut oder erreicht (hat), wird allzu schnell als selbstverständlich hingenommen. Manches, was er denkt, fordert, macht, steht bei anderen in zum Teil herber Kritik. Doch das darf und kann keinen hindern zu erkennen, dass Werner Deichmanns durch seine "power" erreicht hat, was andere noch nicht einmal zu denken wagten - oder nicht zu Ende denken wollten. Nicht billigen Dank soll man ihm dafür zollen, sondern vor allem Respekt. 

 

« Man kann eine Jammerkultur pflegen oder zusehen, was sich ändern und erreichen lässt. »

Wahlspruch Werner Deichmann

 

 

Das Arbeitsraster des W.D.:

Foto Netz: hgw

Ein gutes Beispiel für schlechten Journalismus. Jahrelang fordern die Bewohner der Hasseldelle bessere Einkaufsmöglichkeiten. Der Spar- und Bauverein geht konkret an die Planung, bereitet die Möglichkeit vor, dies zu realisieren. Wahrscheinlich hat er die Idee so ungeschickt präsentiert, dass die Bewohner in heller Aufregung sind: Vertreibung aus sicher geglaubten Wohnungen, und keine einladende Alternative. Sie wenden sich an die Presse. Die greift deren absolut verständliche Betroffenheit auf und schlägt völlig parteiisch eine neue Kerbe: das abwertende Wort "Discounter" soll gegen die Ungerechtigkeit der Pläne emotionalisieren. Ja wäre in diesem Gebiet ein sündhaft teurer Feinkostladen angebrachter? Aber so ist es IMMER in Solingen: geschieht nichts, wird gemeckert, geschieht etwas, ist es empörend. Dass Journalisten da auch noch mitmachen, ist eben jene Qualität, die Lokalzeitungen zum "Käseblatt" machen.
 

Solingen hat Wohnungsleerstände "ohne Ende", die SBV-Häuser sind teils veraltet, marodieren eher, als dass man sie modernisieren kann.

Solinger Morgenpost, 4.3.05
Journalistin: Susanne Genath

 

Tradition hat übrigens Tradition auf der Hasseldelle: Nichts wird verändert. Das wäre ja noch schöner. Alles bleibt, wie es ist, außer, dass sich alle wünschen, es möge wieder wie früher werden. Aber das ist ja schließlich legitim. Man kann nach vorwärts und rückwärts träumen. So ist der Mensch nun mal gebaut.

Solinger Morgenpost, 26. August 2005