Industriegeschichte-2

 

 

Luftfahrt

Beinahe wäre Solingen Zentrum der Luftfahrt geworden. Der "Bergische Ballon" (franz. Berg: "mont"), wie er zu anfangs genannt wurde, war nach damaligem Verständnis ein "Großes Objekt [zum] Luft-Flug", abgekürzt GOLF. Alle Welt nannte bald das Gerät "Montgolfiere" (also in etwa mit "Bergischem Flugzeug" zu übersetzen). Das Historiengemälde zeigt einen Startversuch nahe des damaligen Bürgermeisterhauses. Gescheitert ist die Entwicklung vor allem daran, dass Solinger nie an einem Strang ziehen können, wie hier ganz deutlich zu sehen ist. Und so blieb der Luftschiffer am Boden und das Gefährt wurde dann in Frankreich weiterentwickelt.

 

 

 

Der Arbeiter als Held?

Schön wärs ja gewesen. In Wirklichkeiten waren Arbeiter in solchen Gußstahlwerken, wie sie auch in Solingen existierten, "verdammt arme Schweine", die in Gluthitze, Gestank, Dreck und Höllenkrach schuften mussten. 10 Stunden am Tag, 6 Tage oder zumindest fünfeinhalb Tage die Woche. Schutzkleidung gab es kaum, Arbeitsunfälle, auch tödliche, waren nicht selten. Unter solchen Konditionen konnte man vielleicht maximal 20 Jahre arbeiten, dann war der Körper ruiniert. Und wenn es dann noch galt, Akkordprämien zu schinden (weil jeder Pfennig gebraucht wurde), dann ist nachvollziehbar, dass sich die Arbeiter irgendwann ausgebeutet und gedemütigt fühlten und im wörtlichen Sinne auf die Barrikaden ging. Da half auch nicht der gütige Besuch des Fabrikherren zusammen mit seinem Püppchen.

 

Die sog. Bessemer-Birne war 1862 ein weiterer Meilenstein  der Stahl- und Eisenindustrie, wurde aber bald von einem anderen Verfahren (Siemens-Martin) abgelöst.

Die Kultur der Improvisation

Fragt man mich, was das "Geheimnis" des Solinger Erfolges in Industrie und Technik ist, habe ich eine klare Meinung: Unzufriedenheit und Improvisationstalent. Immer unzufrieden mit dem Gegebenen zu sein und alles besser können und machen zu wollen, ist ein biologisch manifestiertes Gen des Solingers. Und improvisieren kann er wie ein Weltmeister. Auch wenn dieser Holzschnitt die Kruppschen Werke in Essen zeigt, dürfte es in Solinger Schmiede- und Stahlbetrieben nicht anders ausgesehen haben. Der Hammer ist nicht geflickt, sondern optimiert. Es wurden ja nicht nur niedliche Löffelchen gefertigt sondern bis in die heutige Zeit auch mächtige und dicke "Brummer".

 

Der "Darhalter" und der "Droppschläger" waren zwei ehrenwerte Tätigkeiten am Reck- und anderen Hämmern.

Industriegeschichte: als Fabriken noch der Stolz des Landes waren, waren die Fabriken auch der Stolz der Besitzer. Man baute sie wie Burgen. Liebevoll und mit vielen Details. Wenige davon haben sich noch in Solingen erhalten. Unter anderem ein Werk an der Schlachthofstraße, das heute als Lager einer Sanitärgroßhandlung benutzt wird.

 

 

Schlote, die kaum stören und in der Silhouette eines Sommertages sich kaum von den Bäumen unterscheiden. Diese "Gemengelage", das Mit- und Durcheinander von Industrie- und Wohnbauten ist typische für Solingen, schafft Probleme, gibt der Stadt aber auch ihren ganz eigenen, unverwechselbaren Charakter.

 

oberes Bild: Schlachthofstraße, Blick zur Kuller Straße (Rückseite Fa. Hauptner);
unten: ehemaliges WKC-Gebäude, heute Rathaus.
alle Fotos: © hgw