Et Mull jeschwatt 2

Kennen Sie den? Kommt ein Solinger in den Himmel. Sofort geht er Petrus an: "Hür ens, ech han dir en Zöppken mitgebreït". "Fein", sagt Petrus, "was kostet das denn?". "Rejulär et dutzend vierontwängdich Euro. Ewwer weïl Du et böss, ech lot Dir et Stöck für dreï Euro."

 

 

Utgemacht on affgetogen
Noch en Gedrag Soliger Platt

frei übersetzt: gut auf dem Weg
Noch eine Trage voll Solinger Mundart

(Utgemacht und affgetogen oder auch affjetrocken sind zwei Begriffe aus der Fertigung von Messern, die das Produkt (fast) fertig machen)

Solinger waren immer schon praktische Menschen. Warum nicht Arbeit mit Schönheit verbinden? Während die Lewerfrauen früher die schweren Stahlwaren in einem Korb auf dem Kopf balancieren mussten, hing den Herren der Schöpfung die Arbeit gewissermaßen zum Halse raus. Einen Riemen durch die "Augen" (sprich Eingrifflöcher) einer Schere gezogen und schon war die schönste Halsdekoration fertig und ließ sich auch noch sehr bequem von Kotten zu Kotten transportieren. Dass solche eine Arbeit müde und durstig macht, natürlich nur die Männer, ist logisch und so ist der hohe Kornkonsum dann auch nicht auf Trunksucht, sondern Schwerstarbeit zurückzuführen. Die einem eben wie eine Last auf die Schultern drückte ... :-)

 

 

1963
1.-4. Tausend
Druck B. Boll Solingen

Leseprobe Alfred Müller

Wat men em Lewen hät gedonn,
do mott men tou stonn;
egal wie et geïht;
söß deïht am Eng men sech selwer leïd.

 

Ut allen Hötten

Jedichte on Vertellstöksker en bergischer Monkart
Abraham Beck

Übersetzt:
Aus allen Ecken (und Winkeln)
Gedichte und Erzählungen in bergischer Mundart

 

 

 

 

 

 





um 1950
im Selbstverlag des Verfassers
Gedruckt bei Wilh. Müller jr. KG, Solingen-Ohligs
(meine "Lehrbude" !)

 

 

 

 

 

 

 

 

Leseprobe Alfred Müller

Minn Häimot es et lewste,
Wat ech op Erden hann,
Op die van janzem Herzen
Su stoult ech blecken kann.
On wie mech minne Motter
Dröckt an ihr sonnig Herz,
Su well de Häimot läiten
Mech ouch en Freud on Schmerz.
Dat kläine Wörtschen ,,Häimot"
Erklengt wie Melodie,
On böß du en der Fremde,
Verjetzt du sie jo nie.
Mag dech de Welt ouch locken,
Dat äine eß jeweß,
Dat nix su schön dobutten
Wie dinne Häimot es.
On lewst du jrute Johren
En wieder Fern bejlöckt,
Et kohmen secher Tieden,
Wo dech dat Häimwieh dröckt.

 

 

 

 

Lot den Kopp nit hangen

Leseprobe:

SORGEN
Sorgen wierd et emmer gewen;
eimol gut on döckes kleïn.
Doch et lött sich besser lewen,
böß met Sorgen du teheïm.

ET LEWEN
Wat es et Lewen?
Völl Örschel on Pinn.
Te kort sind de Stonden,
öm glöcklech te sinn.

Depression? Untergangsstimmung? Bedrängnis?
Ach was, pure Solinger Lebensart!

 

Johanne und Karl Wupper
"Lot de Kopp nit hangen"
1979
Band 4 der Reihe "De Hangkgeschmedden stellen vür"
Illustration Karl Wupper
Druck B. Boll, Solingen

 

 

Die vom Platzhof

Ein sozialkritisches Liebes-Drama. Ein holländischer Händler besucht einen Solinger Fabrikanten: A-Kunde, würde man heute sagen, Großabnehmer. Der Solinger, "jau" (schlau) wie er nun einmal ist, denkt praktisch. Das Töchterlein, völlig unnütz in einen abziehenden französischen Offizier verliebt, soll sich damit abfinden, des Holländers Frau zu werden. "De wär jenau dat Richtige vür dech." Doch das Töchterlein wehrt sich, der gutmütige Hausdiener avanciert zum Verbündeten.

Auch inzwischen als Bühnenspiel aufgeführt.

 

Max Kayser
"Die vom Platzhof"
1927
Verlag Schmitz & Olbertz, Solingen
Druck Konrad Triltsch, Düsseldorf

 

Das Buch wechselt höchst amüsant zwischen dem erzählenden Teil in hochdeutsch und den in Solinger Platt geschriebenen Dialogen. Also ein echter "Zweispracher", durchaus mit Lerneffekten und der Möglichkeit, längst vergessene Ausdrücke wiederzuentdecken.

Einige dutzend interessanter Geschichten und Gedichte, alles auf Solinger Platt, machen mit Anekdoten, Begebenheiten, Charakter- und Lebensschilderungen vertraut. Für die, die die Sprache lesen können, ein wahrer Quell an "Vertellcher", die authentisch sein können oder auch nicht, aber in jedem Fall Solinger Denken und Leben trefflich charakterisieren.

1989
Gesamtgestaltung Herbert Weber
Druck B. Boll, Solingen
mit Unterstützung des Landschaftsverbandes Rheinland

Eins von vielen Beispielen aus diesem Buch: Die Schlacht von Worringen, die die Bergische Selbständigkeit begründete, in Gedichtsform (Verfasser nicht angegeben)

(Ausschnitt; das Gedicht hat 14 Strophen.)

Es ist schon Abend, aber keiner gibt nach,
und müde sind alle Menschen und Tiere.
Schon fühlen sich alle elend,
da jagd man sich noch hin und her.
Doch hört! Was ist das? Hörst Du das Sausen!
Dann klingt es hell wie wildes Wetterbrausen:
 

"Hey! Heya! Jeya! Ruhmreiche Berge hier!"
So klingt es hinter dem Westerburger Heer.
Die Bergischen Bauern ziehen in die Schlacht,
um den Feind auf breiter Front anzugreifen!
"Ruhmreiche Berge!" hört man es froh klingen.
Die Bergischen Bauern wollen das Blatt wenden.

Walter Dodde ruft: "Jetzt aber drauf!
Hier sind die ruhmreichen Berge! Wir wollen frei bleiben!"
Sie heben Sensen und Beile über den Kopf:
"Euch sollen Mord und Räuberei vergehen!"
Erst laufenSiegfrieds Leute hier und da weg.
Dann sieht man sie im großen Haufen rennen.
 

Ernst Baumeister, ein Gräfrather, trägt in diesem Buch seine Gedichte, Prosa und ein Theaterstück, alles in Solinger Mundart, zusammen. Begleitet von Gedichten von Peter Witte.

 

 

Umschlag-Zeichnung Prof. Paul Woenner, Solingen
Druck: Buchdruckerei des Solinger Tageblattes, B. Boll, Solingen, Brüderstraße
Schwertverlag Solingen, 1927
Herausgegeben im Auftrage des Solinger Tageblattes von E. Müller-Sohler

So schwärmt er immer, der Mentor der Solinger Heimatdichter und Platt-Autoren, Peter Witte. Es gibt zahlreiche Gedichte von ihm, die in direkter Linie an die Romantiker anknüpfen und die Heimat - respektive das Heimatgefühl - glorifizieren. Aber er steht mit diesem Überschwang der Gefühle nicht allein. Bis in die heutige Zeit wird diese Tradition der Schwärmerei fortgesetzt.

 

 

Völkischer Verlag G.m.b.H Düsseldorf
Herausgegeben von der Stadtverwaltung Solingen, Amt für Städt. Kulturpflege, mit Unterstützung des Vereins für Technik und Industrie, Solingen
1939
Einbandzeichnung Willy Schwickerath jr., Solingen

 

 

 

2005, beinahe geht das Grab des Heimatdichters verloren. Aber schnell handeln die Solinger und durch eine sofortige Regelung kommt wieder ins Bewusstsein, dass Geschichte mehr ist als "alter Krempel" und Erinnerungen an Personen etwas mit Würde zu tun hat.

 

Foto: Christian Beier
Bericht im ST 11.3.05

"Ein Reïh Stöcksker
tem Greïsen, Lachen, Prakesieren,
ouch mols genn't arm Dier"

 

Karl Ernst gehört zu den Gründern des Vereins der Mundartdichter De Hangkgeschmedden. Ein Solinger von echtem Schrot und Korn, dem Solinger Platt immer die natürlichste Sprache der Welt war. Und tätig in einem Beruf, wie er typischer für Solingen nicht sein könnte, nämlich Schleifer für chirurgische Feininstrumente.

 

 

 

 

 

 

Die ersten drei Strophen des Gedichts, das dem Buch den Titel lieh

 

 

 

 

 

 

 

Karl hieß Ernst - aber der Mann zeigte stets Humor. Kurzform: Drei Kinder auf dem Fahrrad, der Polizist sieht es und ruft laut. Der Kleinste, hinten drauf:
"Do sennt se nen Schupo,
o Gott, sun Mallör!
Halt! schrïeht de van wiedem,
Halt! Kommt ihr mal her!
Drop röpt schmuderlachend
de Kleïn dann für en:
Dat Rad es besatt alt,
dat kannßte doch senn!"

1972
Band 1 der Reihe: De Hangkgeschmedden stellen vür
Herstellung: Joh. van Acken, Krefeld
Illustrationen: Paul Ern, Solingen