Et Mull jeschwatt 3

Was vom Stoff lebt,
stirbt vor dem Stoffe.
Was in der Sprache lebt,
lebt mit der Sprache

Karl Kraus, Wiener Publizist und Schriftsteller

"Doh kallen de Lütt immer va' Rouhnöhseln on Ondöühten on me=inen, datt wör schpeziiell et nämmlije.
Oha! noch lang nit ! Datt sind twa janz vrschiedn Zohrten. Ne Rouhnöhsel bruggt noch lang ke=inen Ondoht te sinn, on nen Ondouht eß nit immer ne Rouhnöhsel. Datt kömmt all drop ahn, datt de=ihd et !
Be Rouhnösel eß, wänn e=iner 'n Döppen Bier drenke well, on nen angern jödd 'm drbe=i nen Döüh, dadd et 'm en 't Jese=ihte schrüdzt on en de Nahslöker löppt.
Nen Ondouht eß, wänn e=inen Döppen Bier drenken well, on men angen sübbdt et'm hengerm Röggen uht, wänn 'e 't grahd betahle well, on de=iht sech schtell drdurch."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Druck und Verlag: Carl Vieth, Ohligs

 

 

 
 

 

 

Solijer
Erzählungen in Solinger Mundart
Opjestöivt on opjeschrewen vam Neefs Loni
Band 1
Federzeichnungen von Alfred Hackländer

Mit einem Geleitwort von Oberbürgermeister Eugen Maurer und einem Vorwort von C. Robert Schaberg

 

Druck: Eugen Langenspiepen, Solingen-Wald,
Auflage 2.000
März 1949
ohne Verlagsangaben

"Die in  in diesem Buch aufgeschriebenen Geschichten sind aus dem wirklichen Geschehen des Solinger Alltags zusammengetragen und zeigen in wahrhaft echter Weise ein Stück Leben der Solinger Bevölkerung."

Meinen Solingern

Ich selber kann es oft nicht verstehen,
Dass ich Dich, meine Heimat, so liebe!
Ich hab Euch so lieb,
Ihre Weiden und Felder
Ihr Wiesen mit Blumen, ihr bergischen Wälder.
Ich hab Euch so lieb, Ihr Solinger, vor allem
Die unsere Sprache vestehen, die noch Platt sprechen!
Ich hab Euch so lieb, trotz Trümmer und Brand
Meine Heimat, mein Solingen, im Bergischen Land.

Loni Stolze-Neef

 

Köstlich die Zeichnungen, die Alfred Hackländer gefertigt hat und schon alleine ganze Geschichten erzählen. Wie hier, wo deutlich wird, was das Sprichwort meint, "einen Stall voll Blagen", voller Kinder zu haben.

 

 

Auch dieses Bild erzählt eine ganze Geschichte für sich, die vom Motorradtüürken, dem Ausflug - oder soll man sagen: der Höllenfahrt - quer durchs alte Solingen.

 

De Kuhlmanns Lang wor nen löstijen Vorel: Wo et heesch, nen Dollen te maaken, wo jedangst oder söß Spaß gemackt wuurd, wo de Lang bestemmt derbei te fengen. Om Kleppsöller schmeerden he sech de Bein, datt et en Levhaberei wor, on de Weitscher dout he su faste an sech, böß datt se janz henger Orms komen on de Engelscher em Hemmel sengen hüürden. ...

Ganz offensichtlich ist hier ein Output-Device, computertechnsich gesprochen, abgekackt.

 

 

Ute Schulz und Lothar Steinebach haben umfasend zusammengetragen, was wächst und blüht und sich regt, so der Titel.

Da erfährt man dann, wie die Altvorderen Pflanzen und Tiere benannten. Beispiele:

Heïdschlange = Blindschleiche
Sugpatsche = Blutegel
Füüte = Dompfaff
Schootelsteer = Eidechse
Löühtepitterken = Glühwürmchen
Schmiëlendrieter = Grasmücke
Moll = Maulwurf
Meerl = Schwarzdrossel
Klopphengst = Wallach
Girmken = weibl. Lamm

Ein kleines Bändchen, das allen, die Spaß an der Mundart haben, im besonderen Maße Freude machen wird. Nützlich und gut, solche Themenbücher wünscht man sich mehr von den Sprachhütern.

Krente = Johannisbeere
Brommel = Brombeere
Wengterworbel = Preiselbeere
Surmuos = Sauerampfer
Ölk = Zwiebel

Bongert = Baumhof
Fladerrus = Buschwindröschen
Schlangenbluom = Fingerhut
Neelschesboum = Fliederbaum
Mattschöttschen = Gänseblümchen
Maggikrut = Liebstöckel
Ketteplosch = Löwenzahn
Flette = Nelke
Pooschbluom = Osterglocke
Bünn = Rinde
Langeliëfken = Stiefmütterchen

 

 

Nicht ut dr Lewermang, sondern ut dem Nähkörfken plaudert Aenne Rüttgers 1983 in erstaunlich mildem, philosophischen Ton, aber in durchaus "Hardcore-Platt", mit seltenen Vokabeln und in urig-derber Sprache. Ein Lesebeispiel rechts.

Weröm wall söß?

Fröng, die Guots van us vertellen,
hüören en den mierschten Fällen:
Darf men 't glöüwen? Es 't ouch wohr?
Doch mag ömmes us nit lieden,
schwart dröm mackt us beï den Lüden,
an us lött nit eïn gout Hoor,
dann deït men nit twiewelnd frogen
es 't wohr on nit gelogen?
Lästertongen glöüft men sier.
Et es secher nit et Reihte,
datt men sierden glöüft et Schleihte,
doch schinns mackt et mieh Pläsier.

Warum wohl sonst?
Freunde, die Gutes über uns erzählen,
hören in den meisten Fällen:
Darf man das glauben, ist es auch wahr?
Doch wenn uns einer nicht leiden mag,
uns bei den Leuten anschwärzt;
kein gutes Haar an uns lässt,
dann fragt man nicht zweifelnd
ob es nicht gelogen ist.
Lästerzungen glaubt man schnell,
es ist sicher nicht recht,
dass man das Schlechte eher glaubt,
aber offensichtlich macht es mehr Vergnügen.
 

Indirekt als Nachwuchskraft stellt Dr. Rita Mehlis die Autorin Brigitte Baden im Vorwort 1986 vor. Als mit "den Augen einer Frau gesehen" empfindet Dr. Mehlis die Gedichte und Episoden und empfiehlt intensiv, so auch den Text zu lesen.

Sie erwähnt die Ironie, die immer schon in der Bemerkung lag, als Lewerfrau wären die Frauen ohnehin diejenigen gewesen, die immer mit dem Kopf gearbeitet haben. Dass Brigitte Baden auch mit dem arbeiten kann, was im Kopf ist, sieht nicht nur Dr. Rita Mehlis so.

 

† Brigitte Baden war lange Zeit Vorsitzende des Vereins der Freunde Solinger Mundart, den "Hangkgeschmedden" und ist leider viel zu früh verstorben.

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Hörproben aus dem Bürgerfunk zum Download:



 

2 Leseproben:

 

Humor, de glickt nem Kragenknöppken.
Men bruckt en nüdeg wie en Zöppken.
Beïtieden he verhengert dann,
datt us de Kragen platzen kann.

 

Pillgrad hatt ech mir vürgenohmen,
woul ech em Lewen vürakuomen.
Doch wozl mit dat nit emmer glöcken,
mouß töscherdurch mech ouch mols böcken.

 


 

1986
Band 9 der Reihe "De Hangkgeschmedden stellen vür"
Druck: B. Boll, Solingen

 

Regelrechte Urgesteine Solinger Mundartdichtung der Neuzeit sind beide Karls, Wester und Ernst. Beide sind u. a. Träger des Rheinlandtalers, einer hohen Auszeichnung des Landschaftsverbandes Rheinland und haben viele andere Ehrungen und Auszeichnungen bekommen. Ihre Themen sind unerschöpflich. Natur und Mensch, Technik und Tücke, Sinn, Verstand und Emotion - kurzum, das Leben in seiner ganzen Vielfalt wird von beiden in der typischen Art der Solinger Philosophie kommentiert. Nämlich mit derb-direktem Humor, mit lustvollem Klagen, mit unverhohlener Schadensfreude, mit viel Nachsicht und Milde, mit bissiger Ironie, mit leisem Zweifel, mit gefühlvollen Bekenntnissen, mit Liebe für jedes Detail. Wie sie halt eben so sind, die Solinger, vor allem die Solinger Dichterinnen und Dichter.

 

Nagelprobe: Sind Sie bekennender Mundart-Sprecher? Sonst droht Ungemach.

Hie steïht geschriëwen schwart op witt
us Solger Platt op jiëder Sitt.
wer't kallen kann on dann su deït,
datt he us Sproke nit versteït,
den kriëg ech gern ens am Schlawitt
on saiht vör en: "Schammß du dech nit!"

Übersetzung:
Geschrieben ist hier schwarz auf weiß
Solinger Platt auf jeder Seite.
Wer es sprechen kann und dann so tut
als ob er diese Sprache nicht versteht,
den würde ich gerne am Kragen packen
und sagen: Schämst Du Dich nicht?

1994
Band 14 der Reihe "De Hangkgeschmedden stellen vür"
Druck: B. Boll, Solingen
Zeichnungen und Titelentwurf  Maria Zaljen