show 68 - 2

Eine coole Zeit damals? Cool, nein! Im Jahr der Flower-Power-Revolution war es einem warm ums Herz, nicht cool. Und in Solingen begann auch die Revolution: Jugendliche durften bis 10 Uhr abends auf die Straße (nicht ab 22 Uhr, wohlgemerkt, ihr Youngsters), die Jugendszene war echt voll drauf und keiner hat sich gelangweilt.

 

Da war was los!
Das Establishment ließ subventionierte Freiheiten zu und Revolutionen fanden noch im Saale statt. Solingen hat die wilden 68er züchtig im Griff. Wenn schon Hippi-Flower-Power, dann aber mit anständigen Haaren, Krawatte und nach Anmeldung. Ich bekenne: schuld daran war auch ich. Mit viel Vergnügen sogar.

Einer der legendären Auftritte der Lone Stars zu Beginn ihrer bis heute andauernden Karriere als die beliebtesten musikalischen Lokalmatodore. Und das schöne an Jugend tanzt: kaum eine andere Veranstaltungsreihe in dieser Stadt hat so viele Ehen gestiftet. Und manche davon halten noch heute.
 



 

O Mama, was schenkten wir der Oma und O Mann o mann, was waren hatten wir sexy Bräute - Knister-Erotik im Lurex-Kleid, da bekam schon einen gewischt, bevor man dazu kam, einen gewischt zu bekommen ...

 

 

 


 

Ich befürchte, die Naturfreunde könnte die Treffen mit gleichen Themen auch sofort und heute wiederholen ...

 

 

 

 

 

 

Comedy, als noch keiner von Comedy sprach! Wolfgang Trier (keyboard), links mit Brille von Fielmann, Helmar Weck (drums), mit Tasche von Britt, Wolfgang Haussels (bass), mit korrektem Einstecktuch und Britt Malmkjell, die Wencke Myhre von Solingen, mit Charme und viel Talent, waren (bzw. sind) ebenso musikalisch-qualitativ wie seriös albern. Vor allem Wolfgang Trier begleitete und begleitet die damals jungen Mädel ins heutige Großmutter-Dasein und ist in Solingern viel gehörter Alleinunterhalter - wenn er nicht gerade den Leuten reinen Wein ausschenkt in seinem Chateau le Claire.

 

 

Redakteur Alois Weber (Alo) hat über lange Jahre beim Solinger Tageblatt dafür gesorgt, dass "die Jugend" angemessen und qualitativ sinnvoll vertreten war. Seiner Initiative und Förderung verdankt in den 60er und 70er Jahren Solingen eine Reihe von Events, wie man es heute formuliert und der Gerechtigkeit halber muss gesagt werden, dass solche Veranstaltungen von der Verlegerfamilie Boll, insbesondere Edith Boll und Bernhard Boll jr. aktiv unterstützt wurden. Zwar logischerweise mit kommerziellem Hintergrund, schließlich lebt ein Verlag von Anzeigen und Abonnenten, aber immer auch mit der Absicht, eigenständige Ideen und Aktivitäten herauszufordern und dazu zu ermutigen.

Zwischenbemerkung: Wir hatten es damals schwer!

 

 

The Lords aus Berlin, die absolut familientaugliche Softversion damaliger Beatbands. Vor allem Lord Ulli, der nette in der Mitte, fand die Zustimmung aller potentiellen Schwiegermütter. "Have a drink on me" lautete zwar ihr Chart-shooter 1966 und 1967 legten sie ein "Gloryland" nach. Und 1972 verfasst Ulli unter einem Pseudonym den mainzblöden Karnevals-Ohrwurm "Rucki-Zucki". Zum Wohle von Ernst Neger. Tragisches Ende: 1999 erleidet Lord Ulli einen Herzinfarkt während eines Auftritt auf der Bühne mitten im Song "And at night" und stirbt kurz darauf.

Erinnern Sie sich? v.l.n.r. Bernd Zamulo (bass), Klaus Peter "Leo" Lietz (guitar), Ulli Günther (guitar & vocal), Rainer "Gandi" Petry (guitar), Peter "Bi" Donath (drums).

Die Lords bezeichnet man auch gerne aus die "deutsche Antwort auf die Beatles". Kein Wunder, dass es eine Ehre für sie war, in Solingen spielen zu dürfen.

 

 

Die Gewerkschaft als Partylöwe. Nun, schon damals tat man, was man nicht kann, nämlich für heitere Stimmung sorgen.

 

Heute unvorstellbar, dass ein Teenager ein eigenes Telefon bekommt. Damals waren eben noch die Zeiten ungeordnet und die Älteren verstanden nicht die Jungen. Heute ist ja alles viel, viel besser.

Es war die erste Veranstaltung, der 8 weitere - im Zweijahresrhythmus - folgen sollten. Dass eine Vorentscheidung notwendig wäre, hatten wir gar nicht einkalkuliert. Dass später eine eigene Vorentscheidung nur für Bands notwendig werden würde, auch nicht. Die Rekordmeldung lag bei 33 Bands - und die wurden alle innerhalb von nur einem Tag in der Ohligser Festhalle "gecastet", wie man es heute nennt. Unglaublich: jeder Band stand nur 20 Minuten für Aufbau, Spielen (für die Jury) und Abbau zur Verfügung. Noch unglaublicher: das reichte. 

 

Was heute bis zur Langeweile üblich geworden ist, nämlich Talentwettbewerbe und so genannte Startchancen, war Ende der 60er Jahre noch eine absolute Ausnahme. Solingen war auf diesem Gebiet sogar Pionier in ganz Deutschland. Eine solche Veranstaltung gab es sonst nirgendwo.

 
 

War auch mal in Solingen bei einer Veranstaltung "Stargast" und sorgte mit seiner Trompete für heitere Laune: Peter Beil. Vor allem aber sorgte er für gute Laune bei mir als Conferencier. Da ich "nur" den Gast ansagen musste und keinerlei sonstigen Text vorbereitet hatte, sorgte er bei mir für reichlich Adrenalin. Denn beim Rausgehen auf der Bühne rief er mir zu: "Ich brauche noch 5 Minuten, meine Trompete ist kaputt". Schön, wenn man ohne Vorbereitung vor 1.200 erwartungsvollen Gästen steht, Scheinwerfer voll an und man nicht sehen kann, wann der Künstler hinter der Bühne fertig ist. Wie ich später hörte - in Schweiß gebadet - hat keiner im Saal den Zwischenfall bemerkt. Eben: nur so lernt man, was live ist.