Solingen-Mosaik 11 Kunterbuntes

Es gibt Realisten, die analysieren: die Zukunft Solingens ist seine Vergangenheit. Da werden so manche, die des Denkens nicht geübt sind, sogleich empört sein und argwöhnen, dies sei nun böse gemeint - Solingen sei perspektivlos. Dabei sagt der Satz das genaue Gegenteil. Nämlich: Solingen hat dann eine Zukunft, wenn es sich der ererbten Wurzeln der Vergangenheit bewusst wird. Die da heißen: werde Meister Deines Fachs. So simpel ist die Botschaft, so schwer ist sie umzusetzen. Aber die Chance ist da und es zeichnen sich Konturen ab: Solingen als eine Stadt der Agenturen und des Designs, eine Infrastruktur, die gut zu den Mega-, Mittel- und Möchtegern- Zentren der umliegenden Landschaft passt. Man muss ihr eine zeitliche Chance geben, so zu werden, wie Solingen einst war: Ort des Wissens, des Könnens und der zähen Beharrlichkeit. Manches ist auf gutem Wege.  

 

Welch ein Klops ! McDonalds, Fastfooder, vergreift sich am Wappen von Solingen. McDonalds, wo alle mit den Fingern essen, als seien Bestecke noch nicht erfunden, verhunzt das Solinger Wappen und spießt seine Burger auf Klingenstadt-Schwerter. Heiliger McDonalds, bete für uns, oder gibt es etwa in Solingen den BigClemens zu kaufen? Dass aber im Schriftzug Solingen der Unterschwung des g nicht, wie korrekt im Logo, nach rechts, sondern nach links geht (nur damit es in den unteren Bogen passt), das sollte man nun mit 10 Fastentagen bestrafen und zur Abwechslung einfach nur mal Solinger Hausmannskost essen.

 

2005

Aber "Bangböxen", ängstliche Leute, waren die Solinger noch nie. Sie strotzen vor Selbstbewusstsein. Natürlich, der Zöppkesmarkt ist nicht ebay ohne Internet, nein, Ebay ist:

 

aus: Programm der Volkshochschule Solingen

Agfa, einst Renommiertochter des Bergischen Konzerns Bayer Leverkusen, dann selbständige AG, jüngst in Einzelteile zerschlagen, ist mit seiner Kamerasparte auf dem üblichen Weg der Staatsausbeutung saniert worden: Kaum von Anlegern und Managern übernommen, wurde Konkurs angemeldet, so dass alle Sozialplanlasten zugunsten der Allgemeinheit gehen und der Markenwert für null und nix von den "Weitermachern" eingesackt werden kann. Dabei waren die Fotoapparate einst stolzes "made in Germany" und ungemein beliebt im Volk. Doch schon seit 2 Jahrzehnten war dies Image der Agfa-Clack-Ära dem belgisch-deutschen in Mortsel, Leverkusen, Kölner (früher auch München) angesiedelten Konzern lästig und peinlich.

Agfa ließ eine Reihe Geräte und Bauteile unter anderem auch in Solingen fertigen. Und benannte ein legendäres Objektiv nach dieser Stadt, und zwar in der historischen Schreibform zu Zeiten der ersten urkundlichen Erwähnungen: Solagon = Solingen. Dem kam entgegen, dass Objektive früher (und noch heute) mit Vorliebe -gon/-con-Endungen im Namen haben.

 

Die Agfa Super-Silette und die Karat 4, beide mit Color-Solagon, oben ein Einzelobjektiv.

 

In Solingen werden zwar Messer gemacht, aber relativ wenige verkauft. Die Händler haben, da deutsch, natürlich einen Verband und der ist in Schwäbisch Hall eingetragen. Ganz ohne Solinger Unterstützung.

aus: Haller Tagblatt, 22.07.05

 

 

Als Solinger hat man das Vergnügen, in anderen Städten immer wieder an die eigene Heimatstadt erinnert zu werden.

 

 

Wien

 

 

 

Augsburg

 

 

Der Papst kommt aus Solingen ! Wirklich und wahrhaftig. In Bronze und gegen Geld. Ein Solinger Unternehmen hat den Auftrag aus Bayern bekommen, eine Büste von Papst Benedikt "Papa Ratzi" anzufertigen und einen zweiten Abguss verkaufen zu dürfen. Der ist dann im Internet versteigert worden. 

 

Der Papst aus Bayern kommt ins Rheinland und bekennt offen, mehrfach und intensiv, dass er mental dem Rheinland sehr verbunden ist. Er hat hier seine Kurien-Kariere begonnen, als Konziltheologen (II. Vatikanisches Konzil, 11.10.62-8.12.65 ) des seinerzeitigen Bischofs von Köln, Frings. So gesehen sind Bayern, siehe Flaggenkleid, der Papst und der Kölner Dom eine logische Einheit.

XX. Weltjugendtag,
16.-21. August 2005
Köln (bei Solingen;-)

 

Stürmischer Empfang für den Papst: Kaum im Köln, weht ihm das Käppi weg (Pilaeus). Und Petrus will wohl nicht, dass er so freundlich winkt und hüllt ihn ins Gewand ein.

 

Kein Karnval in Köln, kein Fussballspiel in Müngersdorf, nein, der Papst fährt an den Poller Wiesen vorbei.

 

Finden Sie den Unterschied:

 (Also, der Farbstich ist nicht gemeint)

 

 

Oben: die Köln-Düsseldorfer RheinEnergie auf einer normalen Rheintour im Mai 2005, von mir fotografiert.

Unten: das gleiche Schiff aus gleicher Perspektive, diesmal mit Papst bei seiner Pilger-Schiffsankunft am 18.8.05 an fast gleicher Stelle des Rheins (nicht von mir fotografiert).

Mutig: Der Papst bekennt sich offen und ehrlich zum "Vaterland". Ein Begriff, der kaum noch Erinnerungen bei den Lebenden weckt. Aber aus Dokumenten lernen wir, "für Kaiser, Gott und Vaterland" zog man einst, zum Beispiel 1870/71 begeistert in den Krieg. Es ist gut, wenn das Wort, urdeutsch und in seinem Wesen sehr neutral, wieder verwendet werden kann, ohne dass es Schuldkomplexe oder falsche Erinnerungen schürt.

Denn das "Lied der Deutschen", aktuelle Nationalhymne, mahnt ja schließlich auch, obwohl es keiner mehr so richtig wahrnimmt:
"Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
Brüderlich mit Herz und Hand!"

 

Die Schweizer, mehrheitlich gewiss kein frömmelndes Volk, singt in seiner Nationalhymne inniglich eine Verbindung von Gott und Vaterland:

Trittst im Morgenrot daher,
seh' ich dich im Strahlenmeer,
dich, du Hocherhabener, Herrlicher!
Wenn der Alpenfirn sich rötet,
betet, freie Schweizer, betet!
Eure fromme Seele ahnt, eure fromme Seele ahnt
Gott im hehren Vaterland, Gott im hehren Vaterland.

Und da wir schon einmal gerade nahe bei der Verfassung sind: auch Solingen hat eine Verfassung. Beschlossen und erlassen rund 1 Jahr nach Ende des 2. Weltkrieges, gefordert und bewacht von der allierten Besatzungsmacht. 

 

Warum aber nimmt eigentlich niemand mehr Politik so ernst? Unter anderem deshalb, weil sie Wasser predigt und Wein säuft; will sagen, ihrem eigenen Anspruch nicht im geringsten gerecht wird. Wenn sie schon vorschreibt, alles möge saubergehalten werden, dann sollten auch Politik und Verwaltung mit gutem Beispiel voran gehen. Parkplatz in Müngsten: ein Drecks-Schild mit einer zweifelhaften Aufforderung.

 

 

 

 

 

 

 

 

Blick von Cronenberg auf Stöcken; zu erkennen in der Bildmitte Fa. Rasspe, oben halbrechts das Klinikum, rechts die Bauschuttdeponie.

Vielleicht beschreibt dieses Bild die Vor- und Nachteile Solingens am deutlichsten. Eigentlich ist es eine total grüne Stadt, eingebettet in einen Kranz Wälder, auch im bebauten Gebiet oft viel Grün. Erhaltens- und schützenswertes Grün, weswegen in Kombination mit der oft unglücklichen Topologie ("Berg und Tal") Gewerbeflächen arg knapp sind. Und es zu der schwierigen "Gemengelage" kommt. Häuser im Grünen stehen direkt neben einer Fabrik, die - früher weit mehr als heute - stinken und Krach machen kann. Straßen nehmen nicht immer logische Verläufe, das eine kommt dem anderen ins Gehege. Also kuddelmuddelt man sich so durch und bisher ist es trotz aller Querelen immer noch gelungen, alle Interessen einigermaßen unter einen Hut zu bringen. Nicht immer, aber oft genug, damit insgesamt die Situation akzeptabel ist und bleibt.