Zugig 6

"Rückzug aus der Fläche" heisst die Devise der Bahn. Als schwerfälliger, zu keiner Perspektive fähiger "Beamtenapparat" hat sie vieles von der Infrastruktur, die einst geschaffen wurde, zunichte gemacht. So auch die "Nebenbahnen". Anstatt die Trassen zu modernen schnellen Verkehrswegen auszubauen, wurden sie irgendwann einfach stillgelegt. So auch die Korkenzieherbahn, ihres gewundenen Verlaufes wegen so genannt, die einst Solingen (Hauptbahnhof = Südbahnhof) mit Nordbahnhof (am Schlagbaum), Wald, Gräfrath und Vohwinkel verband. Eine perfekte Grundlage für eine Stadtbahn, perspektivisch ausbaufähig. Doch Deutschland setzte auf den Straßenverkehr, baute Autobahnzubringer, die nur eins tun: den Verkehr aufhalten (in Solingen täglich Praxis in Haan-Ost und Langenfeld) und ließ die Eisenbahn verkommen. Dass nun die Korkenzieherbahn-Trasse in etlichen Teilen Wander- und Radfahrweg ist, ist ein kleiner Trost und eine große Leistung für eine Stadt, die aus Geldmangel nichts mehr bewirken kann.

 

Am 31. März 1995 fuhr der letzte planmäßige Güterzug (Personenverkehr war schon Jahrzehnte eingestellt) von Wald über Nordbahnhof zum Hauptbahnhof. Dann war "Schicht" auf der Strecke.

Foto: M. Polei

 

Mit vielen Detail, Zeichnungen von den Bahnhöfen, Gleisplänen, Fotos der eingesetzten Loks und fundiertem Text über Entwicklung und Hintergründe der Korkenzieherbahn haben die Autoren Kaiß und Zimmermann ein Stück Bergische Eisenbahngeschichte lebendig gehalten. Ein vergnüglich zu lesendes Buch, das detailreich darlegt, mit welchem Hickhack schon immer die Bergischen zu Werke gingen und wie wechselvoll selbst die Gesichte einer Nebenbahn ein kann.

Das Foto zeigt den Bahnhof Wald 1938. Für heutige Verhältnisse ein Ding aus einer grauen Vorzeit: die einzeln zugänglichen Abteile der 3. Klasse. Die Wagen hatten keine Mittelgänge, jedes Abteil dafür auf beiden Seiten eine Türe. Toiletten gab's in diesen Wagen ohnehin nicht. Und der Snack am Bahnhof bestand aus einem Soleil und einer Salzgurke vom jeweiligen Bahnhofswirt.

 

Verlag A. Kaiß, Leichlingen, 1998
ISBN 3-9806103-0-6

 

 

So sahen sie aus, die Korkenzieherbahnzüge, gezogen von einer T11 oder T12 bzw. wie hier der BR 92.

 

1968, Warten auf den Abtransport der Schienen, die einst die Korkenzieherbahn von Gräfrath nach Wald verbanden.

 

Heute kaum noch zu glauben, dass einst solch mächtige Lokomotiven (BR 50) auf dem relativ kleinen Bahnhof Nord Dienst taten. Aber diese hier war dort tatsächlich stationiert.

 

Endlich steht Solingen im Guinessbuch der Rekorde. Und zwar mit der kürzestes Eisenbahnstrecke der Welt. Aus der Ehemaligen Korkenzieherbahn wurde diese Strecke (Bild rechts). Nun ist man fieberhaft auf der Suche nach einer Lok und einem Waggon, die darauf passen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Buntfotos: hgw 2005

Und mit einem zweiten Rekord steht Solingen im Rekordbuch: für den blödesten Prellbock-Monteur. Der hat das Gerät in die falsche Richtung auf- und eingebaut. Seit dem steht es rum und rostet vor sich hin. Denn in Solingen wird nicht geprellt.

 

Solingen ist eben ein typisches Schwellenland mit aufblühender Hoffnung, die da grünt. Und auf die geschissen wird, wie sonst sollte man sich das Toilettenpapier erklären, das noch an den Schienen klebt?

 

 

Rebusrätsel:

+
=

 

Übrigens: finden Sie das Original und die Fälschungen:







 

 

 

 

 

 

 

Hier ziehen sie die Korkenzieherbahnnotbremse:



Hoffnung, Deine Heimat ist die Vergangenheit. Geradezu methaphysisch ans melancholische Philosophieren kommt man, wenn man die wunderschön nostalgischen Bilder sieht, die der Solinger Franz J. Grantl ins Netz gestellt hat. Er ist begeisterter Fan des wohl schönsten Zuges, der je über die Gleise Deutschlands fuhr - und, man sehe, staune (und gegebenenfalls erinnere sich) natürlich (na klar doch) Solingen und die Müngstener Brücke besuchte.

 

alle TEE-Bilder: courtesy of F. J. Grantl;

 

Mehr Bilder und Informationen über die Baureihe 601 in der gleichnamigen (Solinger) Homepage:



 

 

 

 

 

 

 

 

Dieser Zug fuhr 1997 anlässlich des Brückentages, d. h. des 100jährigen Einweihungsjubiläums der Müngstener Brücke,

 

 

Für Eisenbahn-Fans muss dieser Anblick unwirklich schön sein.

 

Abschiedsbild für immer: der Solinger Hauptahnhof existiert in dieser Form nicht mehr und diese Züge fahren nur noch in Einzelexemplaren. Das Foto wurde am 12. Mai 1984 aufgenommen - also schon "vor Ewigkeiten".

 

Ohligser dürfen ihre Vision vom Mittelpunkt der Welt wieder aufleben lassen, wenn sie erfahren, dass dies der TEE-Sonderzug "Gallius"  Plettenberg-Paris ist, der hier 1985 Richtung Köln ausfährt. Plettenberg kennt man ja gut, aber wo liegt Paris?

 

Übrigens, wann ist die Welt wieder in Ordnung? Es ist sehr einfach zu erklären. Wenn solch ein Zug im 15-Minuten-Takt als S-Bahn durchgängig von Remscheid über Solingen / Ohligs nach Düsseldorf fährt. Also wann ist die Welt wieder in Ordnung? Ja, leider.